Wie alt werden Pferde?

Seit der Domestizierung des Wildpferdes vor ungefähr 5000 Jahren hat der Mensch begonnen, eine mehr und mehr intensive Beziehung zum Pferd aufzubauen. Es wurde über die Jahrhunderte vom Last- und Arbeitstier zum geschätzten und geliebten Begleiter in der Freizeit und zum Sportpartner. Da Pferde von Natur aus dem Menschen, dem sie vertrauen, sehr zugetan sind, werden sie oft zu wahren Familienmitgliedern.

Diese enge Freundschaft bringt die Frage nach der Lebenserwartung der Pferde mit sich. Besonders bei Überlegungen zum Pferdekauf, oder wenn ein Pferdefreund in die Jahre kommt, möchte man gerne Klarheit darüber, wie alt ein Pferd werden kann.

In diesem Beitrag wird beantwortet, wie alt Pferde werden und welche Faktoren ihre Lebenserwartung beeinflussen. Auch zu Fragen rund um die Pflege und Nutzung älterer Pferde sowie dem Moment des Abschiednehmens geben wir Antworten.

Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Großpferdes beträgt zwischen 20 und 30 Jahren. Robuste Kleinpferde und Ponys können einige Jahre älter bis zu 35 oder sogar 40 Jahren werden. Das bisher älteste bekannte Pferd soll 62 Jahre geworden sein.

Im Alter von acht bis fünfzehn Jahre haben Pferde größte Leistungsfähigkeit

Lebensabschnitte eines Pferdes

Das Leben eines Pferdes in menschlicher Obhut ist von verschiedenen Phasen geprägt. Die ersten drei Lebensjahre zählen zu der unbeschwerten Jugend des Pferdes. Fachsprachlich ist dies die Phase der „Aufzucht“, das Pferd sollte diese unbeschwert in einer Herde mit gleichaltrigen Artgenossen, möglichst viel Auslauf auf großen Weiden und in offenen Laufställen verbringen.

Durch das Beisammensein und Herumtollen können die Jungpferde in den ersten drei Lebensjahren auf natürliche Weise ihren gesamten Körper und Bewegungsapparat altersgerecht entwickeln.

Zwischen drei und vier Jahren – je nachdem, wie fortgeschritten das Wachstum und die mentale Reife des Pferdes ist, wird es auf den Einsatz als Reitpferd vorbereitet. Es ist die sogenannte Gewöhnungsphase, in welcher das junge Pferd an den Sattel, die Trense und das Reitergewicht herangeführt wird.

Nach diesem ersten „Anreiten“ ist es anzuraten und üblich, dem jungen Pferd noch einmal eine weitere Entwicklungspause zu geben, denn das Wachstum ist erst mit durchschnittlich fünf bis sechs Jahren komplett abgeschlossen.

Die Lebensphase als voll entwickeltes Reitpferd in den unterschiedlichsten Disziplinen liegt somit zwischen dem fünften bis ungefähr zwanzigsten Lebensjahr, wobei es im Alter von acht bis fünfzehn seine größte Leistungsfähigkeit besitzt.

Auch Pferde kommen in das Rentenalter. Dieses beginnt – abhängig von Gesundheitszustand, genetischer Veranlagung und Lebensleistung – zwischen dem fünfzehnten und zwanzigsten Lebensjahr. Ihre Belastbarkeit nimmt langsam ab. Einsatz und Bewegung des Pferdes sollten ab diesem Zeitpunkt nur noch seinem Wohlbefinden dienen, nicht mehr aber auf Leistung ausgerichtet sein.

Woran das Alter eines Pferdes zu erkennen ist

Um das Alter eines Pferdes an seinem äußeren Erscheinungsbild erkennen zu können, braucht es Erfahrung und ein geschultes Auge. Mit ein wenig Einfühlungsvermögen gibt es aber auch für Einsteiger in die Pferdewelt optische Hinweise, die eine ungefähre Einschätzung möglich machen. Das liegt daran, dass der Alterungsprozess bei Pferden rein physiologisch ähnlich dem des Menschen verläuft.

Im gesamten ersten Lebensjahr ist ein Fohlen leicht als solches zu erkennen. Durch seine überlangen Beine wirkt es ein wenig staksig und unbeholfen. Es ist ein wirkliches Babypferd, das verspielt und neugierig die Welt erobert. Als Jährlinge und Zweijährige sind Pferde bei genauem Hinsehen durch ihr oftmals ungleichmäßiges Wachstum zu erkennen, sie wachsen meist in der Hinterhand zuerst und erscheinen dadurch etwas unproportioniert.

Zwischen drei und fünfzehn Jahren braucht es mehr Erfahrung, um das Alter eines Pferdes zu bestimmen. Denn sobald es ausgewachsen ist, verändert sich der Körper bei einem Sportpferd allenfalls durch die Ausbildung der Muskulatur. Ein gesundes, erwachsenes Pferd stahlt Kraft und Energie aus, sein Bewegungsablauf ist elastisch.

Das alternde Pferd bewegt sich nicht mehr so federnd und energetisch, seine Muskeln werden durch den altersgemäß verlangsamten Stoffwechsel abgebaut, die Gelenke verlieren an Beweglichkeit. Dadurch wirkt ein altes Pferd immer knochiger als ein junges. Dies ist besonders am Kopf wahrzunehmen, dort treten die Knochen deutlicher hervor und die Höhlen über den Augen vertiefen sich. Die Augen selber blicken ruhig und wissend, eher selten verraten sie noch Aufregung. Auch erscheinen graue Haare im Kopfbereich, manchmal auch im gesamten Fell.

Neben diesen körperlichen Merkmalen kann das Alter von Tierärzten und Pferdekennern auch recht genau an den Zähnen abgelesen werden, deren Aussehen, Länge und Stellung sich mit den Lebensjahren verändern.

Das Alter der Pferde kann recht ganau an den Zähnen abgelesen werden

Voraussetzungen für ein langes, gesundes Pferdeleben

Der Grundstein für ein langes Pferdeleben wird bereits in der frühesten Jugend mit einer artgerechten Aufzucht und Fütterung gelegt. Das Pferd zählt zu den Lauftieren, das in der Natur viele Kilometer am Tag auf der Futtersuche zurücklegen würde.

Durch das Beisammensein und Herumtollen können die Jungpferde in den ersten drei Lebensjahren auf natürliche Weise ihren gesamten Körper und Bewegungsapparat altersgerecht entwickeln. So werden sie auf die später folgenden Belastungen als Reitpferd bestmöglich vorbereitet.

Das freie Leben in der Herde stärkt ebenfalls das Sozialverhalten, das neben dem zu erlernenden Vertrauen in den Menschen zu den Faktoren für eine ausgeglichene Persönlichkeit des Pferdes zählt. Denn auch bei ihnen trägt Stress dazu bei, Abwehrkräfte und Konstitution zu schwächen und das Tier anfälliger für Krankheiten zu machen.

Liebevolle Betreuung und Pflege ist die Basis für Gesundheit und ein langes Pferdeleben

In den folgenden Lebensjahren sind die Faktoren ausreichende Bewegung, ausgewogene Fütterung gemäß Bedarf und Arbeitsleistung, Kontakt zu Artgenossen (denn das Pferd ist ein Herdentier, das soziale Kontakte braucht) sowie liebevolle Betreuung und Pflege die Basis für Gesundheit und ein langes Pferdeleben.

Aus medizinischer Sicht sind die jährlichen Impfungen sowie regelmäßigen Wurmkuren und Zahnkontrollen zu erwähnen. Zur Gesunderhaltung tragen natürlich auch die Stall- und Koppelhygiene bei. Ausmisten und das Reinhalten von Box und Ausrüstung der Pferde gehören zu den selbstverständlichen Pflichten der Reiter und Pfleger rund um die Pferdehaltung.

Bis zu welchem Alter ein Pferd geritten werden kann

Diese Frage lässt sich nicht allgemeingültig beantworten und kann nur für jedes Pferd individuell entschieden werden. Ein Pferd kann grundsätzlich so lange geritten werden, wie es gut und gesund für das Pferd ist.

Am pferdefreundlichsten ist es, die sportlichen Anforderungen mit fortschreitendem Alter langsam zu reduzieren. Diese Phase kann, je nach Allgemein- und Trainingszustand des Pferdes, um das fünfzehnte Lebensjahr herum beginnen. In der Sportlehre wird dies auch für den menschlichen Sportler als „Abtrainieren“ bezeichnet. Es gilt für das Freizeitpferd – wenn auch auf einem anderen Niveau – ebenso wie für das Hochleistungssportpferd.

Leidet ein Pferd unter gesundheitlichen Problemen oder chronischen Krankheiten, kann dies seine Reitbarkeit und auch die Lebenserwartung einschränken.

Wie das Leben des älteren Pferdes gestaltet werden kann

Die freie Bewegung auf der Koppel sollte bei einem gesunden älteren Pferd durch weiterhin leichtes Training ohne Leistungsgedanken ergänzt werden. Es kurbelt den Stoffwechsel an und erhält ein Mindestmaß an Beweglichkeit.

Oftmals haben die Senioren-Pferde ersichtlichen Spaß daran, in ruhigen Reitstunden als Lehrpferde für Reitanfänger eingesetzt zu werden, oder an gemütlichen Ausritten ins Gelände teilzunehmen. Wichtig ist es für den Pferdebesitzer zu verstehen, dass diese Art der Bewegung dem alten Pferd nur dann Gutes tut, wenn durch regelmäßiges sanftes, aber gezieltes Training die dafür benötigte Rücken- und Tragemuskulatur erhalten wird. Sonst wird der Rücken Schaden nehmen und das Reiten unnötige Schmerzen erzeugen.

Sollte der Reiter spüren, dass die Kraft des Pferdes nicht mehr ausreicht, mit Freude seinen Reiter zu tragen, ist die Zeit des Gnadenbrots gekommen.

Seinen verdienten Ruhestand kann der Senior nun auf der Weide, im allerbesten Falle in seinem gewohnten Umfeld und in der Obhut seiner Menschen verbringen. Auch im höheren Alter genießen Pferde die tägliche Pflege und das Umsorgt werden. So kann der Besitzer auch eventuell auftretende gesundheitliche Probleme schnell wahrnehmen und dem Pferd helfen.

Ein altes Pferd im verdienten Ruhestand

Besonders im Sommer bei hohen Temperaturen können Kreislaufprobleme auftreten. Im Winter braucht es, je nach Haltungsform und Gesundheitszustand, eine wärmende Decke, da die Fähigkeit der körpereigenen Thermoregulation abnimmt.

Die Versorgung mit Mineralien und Spurenelementen sollte auch im Alter ausgewogen sein. Viele Futterhersteller bieten Spezialmischungen für Senioren an. Da sie oft eher schwerfuttrig sind und Zahnprobleme hinzukommen können, ist dies ein wichtiger Punkt in der Versorgung älterer Pferde.

Woran erkannt werden kann, wann die Zeit des Abschieds gekommen ist

Ein Pferdebesitzer trägt die Verantwortung für Gesundheit und Wohlbefinden des ihm anvertrauten Lebewesens. Dies gilt für die schönen Jahre, die das Pferd als Partner an seiner Seite ist, wie auch für den Moment des Abschieds. Das Tierwohl sollte dabei immer an erster Stelle stehen.

Zum Entscheiden über den Zeitpunkt gehört es zu erkennen, wann das Pferd seine ureigensten Grundbedürfnisse nicht mehr, oder nicht mehr ohne Schmerzen leben kann. Dieser Moment kann sowohl durch ein hohes Alter, als leider auch durch schwere Krankheiten oder Unfälle eintreten.

Hier kann es immer hilfreich sein, sich mit erfahrenen, mitfühlenden Pferdemenschen und Tierärzten auszutauschen. Sie haben ein objektives Einschätzungsvermögen und können helfen. Wenn der Tod für das Pferd eine Erlösung von Leiden bedeutet, da eine Genesung nicht mehr eintreten wird, ist der schwere Moment des Abschieds gekommen.

Quellen und weitere Informationen

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Katrin Albrecht, Pferdewirtschaftsmeisterin und Reitlehrerin FN sowie Fachredakteurin Reitsport.

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2 Kommentare

  1. Lieber Arthur,

    ich finde es toll, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, die Maßstäbe der FN liebevoll aufzuarbeiten.
    Nur leider ist die FN nicht wirklich ein guter Maßstab für eine artgerechte und würdevolle Haltung und Bewegung des Pferdes.
    Wenn Sie sich die Mühe machen wollen und tiefer in das Thema abtauchen wollen, dann sollten Sie sich bei den alten Meistern umsehen (z.B. Gustav von Steinbrecht, der Urvater des Reitens im deutschsprachigen Raum vom Ende des 19. Jhd, auf dessen Lehren die HdV 12 aufbauen, welche die Grundlage des nun vorherrschenden FN-Reglements darstellte. Leider durch die vielen Jahren stark eingekürzt und sehr verzerrt.
    So galt bspw. ein Pferd vom Anreiten, welches im besten Fall erst mit 4 Jahren passieren sollte, für 2-3 Jahre als Remonte. Als ein Pferd, welches eine schonende Ausbildung durch gut ausgebildee Reiter erhält.
    Die Ausbildung wurde immer gesundheitsfördernd aufgebaut, wodurch die Pferde auch über das 20. Lebensjahr hinaus elastisch und gesund blieben. Schließlich waren sie neben dem Menschen das wertvollste Gut des Militärs. Und verdammt teuer! Wurden sie aus dem aktiven Dienst ausgemustert, wurden sie als Lehrpferde für junge Reiter eingesetzt, damit die Menschen von ihnen lernen konnten. Ein Prinzip, welches heute stark vernachlässigt wird. Dass man es hierbei nicht mehr mit einem Jungpferd und seiner Belastbarkeit zu tun hat, sollte selbstverständlich sein.
    Auch das Gesund-Reiten eines Pferdes findet heute durch die Maßstäbe und Reglements der LPO nicht mehr die Berücksichtigung, die es haben sollte. Aus diesem Grund, und weil gesunde, aber nicht verkaufte Fohlen und Jungpferde nicht selten den Weg zum Schlachter antreten, liegt heutzutage das Durchschnittsalter der Pferde in Deutschland und den Niederlanden bei 7-9 Jahren, statt der rasseabhängigen 25-40 Jahre.
    Auch sollte man schauen, dass die Haltung so robust als möglich gewährleistet ist.
    Denn nur ein Pferd, das sich auch mal im Schlamm wälzen darf, ist ein glückliches Pferd. Dafür gibt es schließlich Kardätsche und Striegel. 😉

    1. Hallo!
      Danke für dein ausführliches Feedback und die tieferen Einblicke in die Lehren der alten Meister. Es ist interessant und wichtig, sich an solchen Maßstäben zu orientieren, vor allem wenn sie das Wohl und die Langlebigkeit der Pferde im Fokus hatten. Ich werde mich definitiv weiter mit Gustav von Steinbrecht und ähnlichen Quellen beschäftigen. Es stimmt, dass ein robustes und natürliches Umfeld für Pferde essentiell ist. Und ja, für Schlamm gibt’s schließlich Kardätsche und Striegel! 😄

      VG, Arthur

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